Eröffnungsrede zur konstituierenden Sitzung des Kreistages
Sehr geehrte, erneut oder neu als Mitglieder des Kreistages gewählte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrter Köpp, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Landkreistages MV,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen der Verwaltung,
sehr geehrte Sachkundige Einwohnerinnen und Einwohner,
liebe interessierte Einwohnerinnen und Einwohner im Saal und an den Bildschirmen,
sehr geehrte Damen und Herren der Medien,
Gemäß § 106, Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern tritt der Kreistag innerhalb von 2 Monaten nach der Wahl zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Nach § 28, Abs. 1, Satz 3 eröffnet das an Lebensjahren älteste Mitglied des Kreistages die konstituierende Sitzung. Nach der Feststellung der Kreiswahlleitung bin ich das älteste Mitglied des am 9.6.2024 gewählten Kreistages des Landkreises Rostock. Ich frage jedoch sicherheitshalber, ob sich unter Ihnen jemand befindet, der/die vor dem 9. September 1947 geboren wurde.
Das ist offensichtlich nicht der Fall. Deshalb möchte ich Sie herzlich zur konstituierenden Sitzung des Kreistages begrüßen! Ich darf Sie zur Wahl in das verantwortungsvolle Ehrenamt beglückwünschen! Ich wünsche uns gemeinsam viel Erfolg bei der Wahrnehmung und Erfüllung der Pflichten, Aufgaben und Rechte des Kreistages, seiner Ausschüsse und der einzelnen Mitglieder.
Wir sind, wie bei demokratischen Wahlen üblich, als Kandidatinnen und Kandidaten von Parteien, parteiunabhängigen Listen und als Einzelbewerber (Herr Dr. Dettmann) in den Kreistag gewählt worden. Gleichwohl verpflichtet uns die Kommunalverfassung in § 105, Abs. 2 dazu, unser Mandat im Rahmen der Gesetze nach freier, nur dem Gemeinwohl verpflichteter Überzeugung, auszuüben. Wir sind an Aufträge und Verpflichtungen, durch die die Freiheit unserer Entschließungen beschränkt wird, nicht gebunden.
Ich hoffe, dass wir in der vor uns liegenden neuen Wahlperiode in diesem Sinne wirken werden. Die Kommunalverfassung überträgt dem Kreistag in § 104 die Zuständigkeit für alle wichtigen Angelegenheiten des Kreises und die Überwachung der Durchführung unserer Entscheidungen. Neben der Erfüllung der gesetzlich zugewiesenen Aufgaben haben wir die Verantwortung für Entscheidungen mit grundsätzlicher Bedeutung für den Landkreis, für die soziale, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Entwicklung des Landkreises. Die Kommunalverfassung überträgt uns, dem Kreistag, eine Reihe von Aufgaben, die nicht auf den Hauptausschuss oder den Landrat übertragen werden können. Insbesondere für die neu gewählten Mitglieder des Kreistages möchte ich die Aufgaben benennen. Dazu gehören u.a.
- kraft Gesetz dem Kreistag übertragene Entscheidungen
- Übernahme neuer Aufgaben (sogenannte freiwillige Leistungen)
- Bestellung von Rechnungsprüfern
- Bestimmung der allgemeinen Grundsätze, nach denen die Verwaltung geführt werden soll
- Bestimmung der allgemeinen Grundsätze der Personalentscheidungen
- Erlass von Satzungen
- Beschluss der Haushaltssatzung und anderer Haushaltsbeschlüsse (z.B. Haushaltsplan, Stellenplan, Haushaltssicherungskonzept)
- Errichtung von Stiftungen
- Errichtung von kommunalen Unternehmen und Einrichtungen sowie Beteiligung an Unternehmen und Einrichtungen
- Bestellung und Wahl von Vertretern des Landkreises in Verbänden, Organen, Beiräten und Ausschüssen
- Gebietsänderungen
- Verleihung und Aberkennung von Ehrenbezeichnungen
- Genehmigung von Verträgen ab bestimmten Wertgrenzen
- Zustimmung zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben
- Verfügung über Vermögen (Grundstücke) des Landkreises und Aufnahme von Krediten
- Übernahme von Bürgschaften u.ä.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Kreistag ist Teil der Verwaltung. Er ist einerseits die Interessenvertretung der Bürgerinnen und Bürger, andererseits das oberste Willens- und Beschlussorgan des Landkreises. Der Kreistag ist die oberste Dienstbehörde des Landrates und der Beigeordneten. Er übt seine Befugnisse grundsätzlich im Einvernehmen mit dem Landrat aus. Das Einvernehmen kann durch Beschluss des Kreistages ersetzt werden. Der Kreistag ist Dienstvorgesetzter des Landrates, hat jedoch keine Disziplinarbefugnis ihm oder der Verwaltung gegenüber.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
während unsere Zuständigkeiten rechtlich klar geregelt sind, werden unsere Entscheidungsspielräume auch in dieser Wahlperiode bis 2029 in hohem Maße durch die Finanzausstattung des Landkreises begrenzt, aber ebenso durch die Entscheidungen der zuständigen Fachämter der Landesverwaltung und der Fördermittelvergabeämter bestimmt. Deshalb hoffen wir, dass mit dem Finanzausgleichsgesetz des Landes eine auskömmliche, dem Konnexitätsprinzip gerecht werdende, Finanzausstattung des Kreises erfolgen wird. Denn Fördermittel können wir nur in Anspruch nehmen, wenn wir einen entsprechenden Eigenanteil des Kreises aufbringen können. Angesichts der aktuellen politischen und militärischen Entwicklungen sollten wir aber keine Illusionen über steigende Zuweisungen haben. Ein Land, das kriegstüchtig werden will, kann nicht gleichzeitig neue soziale und kulturelle Horizonte öffnen. Ein führender Wirtschaftswissenschaftler malte kürzlich dafür das bekannte Sprachbild „Kanonen statt Butter“. Das hat aber Konsequenzen.
Der finanzielle Handlungsrahmen wird aber nicht nur durch Zuweisungen des Landes bzw. Bundes bestimmt, sondern ebenso durch die Kreisumlage der Gemeinden des Kreises. Diese Umlage dient nicht dem Landrat oder der Verwaltung, sondern der Wahrnehmung der überörtlichen Aufgaben der Gemeinden, für die Gemeinden (z.B. für den Straßenbau, die weiterführenden Schulen, die Volkshochschule, die Kreismusikschule, das Ernst-Barlach-Theater, die Museen). Deshalb muss von den Mitgliedern des Kreistages erwartet werden, dass sie stets die überörtliche Verantwortung des Landkreises im Fokus haben, auch wenn sie als Bürgermeister oder Gemeindevertreter die Interessen ihrer Gemeinde im Blick haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sind alle über Listen von Parteien bzw. Wählerbündnissen oder als Einzelbewerber in den Kreistag gewählt worden. Wir haben sicher teilweise grundsätzlich oder im Detail unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen und Ziele. Diese Differenzen wurden auch im zurückliegenden Wahlkampf auf der Grundlage der Wahlprogramme und der öffentlichen Aussagen deutlich. Das wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Inhalten der Anträge und dem Agieren der Fraktionen und Einzelmitglieder im Kreistag niederschlagen. Eine Tageszeitung schrieb (ich zitiere):
„Im neuen Kreistag wird ein anderer Wind wehen… Entscheidend dürfte sein, ob es nach rund anderthalb Jahren wieder um die Sache geht oder ob das Wahlkampf-Theater eine neue Spielzeit erfährt.“ (Zitatende)
Ich appelliere aus meiner mehr als zehnjährigen Erfahrung in diesem Kreistag an alle, keine neue Spielzeit dieses Theaters zu eröffnen, sondern bei den Inhalten Ihrer Anträge und Diskussionen die Aufgaben und Zuständigkeiten des Landkreises, des Kreistages und der Verwaltung zu berücksichtigen. Wir werden sicher auch gesellschaftspolitische Debatten führen, Entscheidungen der Landesregierung, der Bundesregierung und der EU kommentieren und kritisieren, sollten uns aber stets auf die Aufgaben und Handlungsspielräume der kommunalen Ebene besinnen. Der Kreistag kann und sollte auch allgemeine politische Erklärungen mit Forderungen gegenüber dem Land und dem Bund diskutieren und beschließen, aber damit bitte nicht Beschlüsse zu eigenen Aufgaben- und Handlungsfeldern beladen oder gar in das Gegenteil verkehren, wie wir das in der Vergangenheit erlebt hatten. Zu lebhaften Debatten gehören neben der Darstellung der wesentlichen Inhalte der Anträge und Positionen natürlich auch die rhetorische Überspitzung, persönliche Ansprachen und Widerspruch gegenüber anderen Fraktionen und Mitgliedern des Kreistages. Diese sollten aber nicht aggressiv, beleidigend, unterstellend und ehrverletzend sein. Unsere Anträge und Beschlüsse sollten den Rahmensetzungen durch das Grundgesetz und die Landesverfassung verpflichtet sein, von einer humanistischen, solidarischen Grundhaltung geprägt sein, aber nicht durch menschenverachtende, nationalistische oder gar rassistische Vorurteile.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Wählerinnen und Wähler haben die Zusammensetzung dieses Kreistages bestimmt. In Abhängigkeit von den jeweiligen Wahlergebnissen werden Sie sehr zufrieden, weniger zufrieden oder enttäuscht (wie ich) sein. Nun sind wir gemeinsam in der Verantwortung für unseren schönen Landkreis, von der Küstenregion bis in die Mecklenburgische Schweiz und Krakow am See, für eine gedeihliche soziale, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Entwicklung zu wirken. Seien wir uns dieser Verantwortung bewusst, handeln wir so - als ehrenamtlicher Teil der Verwaltung, als Partner des Landrates und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. Dafür wünsche ich uns allen Erfolg und Zufriedenheit in der gemeinsamen ehrenamtlichen Arbeit.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!